Als Tango DJ habe ich schon in den 90er Jahren begonnen Tango Musik zu sammeln. Dies waren im Wesentlichen CDs, gekauft in Deutschland, Argentinien und Australien. Dementsprechend ist meine Sammlung von Tango Musik umfangreich und ich habe manchmal Probleme den Überblick zu behalten. Viel Geld ist in meine Sammlung und in die Ausstattung geflossen, ohne dass ich die Chance habe, das jemals zurückzuerhalten, was aber auch in Ordnung ist.
Tango-Anfänger und auch Anfänger im DJ Geschäft haben aber eher die Probleme, überhaupt etwas Musik zusammenzubekommen. Heute ist das kein so großes Problem mehr, wie in den 90ern. Man kann sogar Musik kostenlos und legal bekommen. Die Lösung hier heisst Internet Radio.
José Maria Lucchesi
Als DJ sucht man gelegentlich nach selten gespielten Orchestern und auf dieser Suche hatte ich Gelegenheit über das sicher nicht zum Mainstream gehörende Orchester von José Maria Lucchesi zu stolpern, welches aber wohl mehr und mehr Beachtung bei den Tango DJs findet. Lucchesi wurde am 29.3.1897 in Sorocaba (Brasilien) geboren [1,2], bekam eine solide musikalische Ausbildung und spielte vornehmlich Accordeon, aber auch Klavier, Harmonica und Gitarre [3]. Seine Tangos nahm er jedoch vornehmlich in Europa auf, meistens in Deutschland, Frankreich und Spanien, manchmal unter dem Pseudonym Leal Pescador (“Der loyale Angler” weil Angeln wohl zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählte) oder als Jose Maria de Lucchesi. In 1942 wurde er französischer Staatsbürger. Der Name seines Orchesters war “Orchestre sud-américain José M. Lucchesi“. Mit diesem Orchester spielte er vornehmlich Tangos, Valses und Paso Dobles in einem sehr weiten Spektrum. Interessanterweise liess er seine Musiker (wie auch das Orchester von Canaro) in “Gaucho” Kleidung auftreten (siehe Bild).
Roberto Firpo
Die ersten Tango Musiker zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Amateurmusiker ohne musikalische Ausbildung (darunter Vincente Greco, Juan Maglio, Eduardo Arolas oder Angel Gregorio Villoldo), spielten teilweise in der Tradition der Payadores, der Argentinischen Wandermusiker. Unter anderem integrierten sie rustikale Rhythmen wie Milonga oder Candombe und andere creolische Elemente in den jungen Tango und gründeten die ersten Orchester. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Tango Orchester, also mussten die charakteristischen Instrumente erst gefunden und die Interpretationstechniken erst entwickelt werden. Diese frühen Tangomusiker werden unter dem Begriff “guardia vieja” (alte Garde) zusammengefasst. Die ersten Orchester spielten eine signifikante Rolle bei der Entwicklung der musikalischen Hilfsmittel und Aufführungsstrukturen um den Charakter des Tangos zu formen. Im historischen Kontext endete diese Zeit ca. 1925 und mündet in eine Übergangszeit hinein, in welcher die Orchester sich zu ihrer endgültigen Form der EDO um 1940 hin entwickelten.
Rafael Canaro – der kleine Bruder
Rafael Canaro wurde am 22. Juni 1890 in San Jose de Mayo in Uruguay als Bruder von Francisco Canaro geboren (Francisco hatte neben ihm noch zwei andere Brüder Luis und Mario, alle davon Tango Musiker) [1]. Im Jahre 1925 besucht er Paris als Teil eines Aufgebotes von Musikern aus Franciscos Orchester, mitten in der zweiten Tangomania und spielt dort Kontrabass und Säge (!) [1]. Bereits in 1926 kommt er wieder und leitet in Paris sein eigenes Orchester, das bis 1936 spielt. In Europa spielte er auch mit Carlos Gardel, der daraufhin einer seiner engsten Freunde wurde. Kriegsbedingt kehrte er zurück nach Buenos Aires und verstarb dort am 28. Januar 1972.

19/07/2015
by Richard Stoll
Comments Off on Tango DJing 4.0: Zusammenfassung – Was ist nun wirklich wichtig ?
Tango DJing 4.0: Zusammenfassung – Was ist nun wirklich wichtig ?
Es gibt nur wenige Regeln! Was ist also wichtig ?
Schwierige Frage! Klar muss man die Technik kennen, die Musik, den Codigo und auch eine Strategie haben, aber was ist wirklich wichtig um ein guter DJ zu sein? Auf den vielen (hundert) Milongas meines aktiven Tangolebens hab ich schon viel gesehen. Ich sah Leute, die mit nichts als einem Apple eine unvergessliche Milonga bereitet haben, andere sind mit futuristischem Gerät bemerkenswert gescheitert. DJs mit Equipment aus der Steinzeit (alte Plattenspieler mit Schallplatten) haben bemerkenswerte Leistungen vollbracht, manche Leute (mit wirklich beneidenswertem Wissen über Tango Musik) gingen baden, weil sie nicht mit dem Soundsystem und den CDs klar kamen.

19/07/2015
by Richard Stoll
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Tango DJing 3.4: Die musikalische Strategie für eine Milonga
Alle diese vorher besprochenen Details sollen also nun zu einer Milonga zusammenmontiert werden. Dies ist die grundlegende Frage, der sich jeder DJ bei der Planung einer Milonga stellen muss. Auch hierfür gibt es keine Regel, ausser, dass üblicherweise in Tanda Zyklen gespielt wird, um die Häufigkeiten von Tangos, Valses und Milongas auszubalancieren. Tango wird üblicherweise gerne getanzt, Vals erfreut sich ebenfalls hoher Popularität, bei Milongas werden die Paare jedoch schneller müde, daher sind die Milonga Tandas auch meist kürzer. Empfohlen wird ein Tanda Zyklus von TTVTTM, d.h. es folgt eine Vals Tanda auf zwei Tango Tandas und dann dasselbe für die abschließende Milonga Tanda. Ein solcher Tanda Zyklus dauert bei üblich langen Tandas zwischen 75 und 90 Minuten. Ich persönlich finde, dass eine Vals Tanda eher als Bindemittel zwischen verschiedenen Charakteren geeignet ist, daher spiele ich meine Zyklen zumeist TTMTTV, was üblicherweise nicht weiter auffällt. Es gibt meiner Erfahrung nach zwei grundlegende Strategien für einen Tango-Abend:
Tango DJing 3.3: Die Kunst der Tanda Konstruktion
Gehen wir zusammen auf eine Milonga. Ich persönlich bin hier etwas schwierig, weil ich mir meine Tanzpartnerinnen oft (und selbstverständlich auch mit deren Einverständnis) nach dem Charakter der Musik (und dem der betreffenden Dame) aussuche. Dementsprechend bin ich aufgebracht, wenn eine Tanda romantisch beginnt, sich dann aber in etwas völlig Anderes entwickelt. Ich möchte – wie viele andere Milongueros auch – also meine Musik vorhersehbar. Deshalb ist vor langer Zeit das System Tanda/Cortina erfunden worden. Als DJ wird von mir erwartet, dieses zu verwenden und ich halte mich daran, unabhängig vom Format der Milonga, sogar für Practicas. Eine Tanda ist ein Packet von 3-5 Musikstücken welches etwa 10-15 Minuten dauert und in sich musikalisch, charakterlich homogen ist. Cortinas sind nur Signale für die Tänzer, dass die Tanda zu Ende ist und eine neue Tanda bevorsteht. Schauen wir uns dieses System etwas genauer an:
Tango DJing 3.2: Die großen Tango Orchester der EDO
Wie bereits bemerkt wurde sind die großen Orchester der EDO in Bezug auf die Tanzbarkeit die verlässlichsten. Entsprechend einer Analyse von Steve Morell [1], liegt die Kernzeit der EDO von etwa 1940 bis 1955, in der die meisten dieser Orchester gleichzeitig spielten und aufnahmen. Die Orchester wurden zumeist nach ihrem Orchesterleiter benannt, welcher auch die Arrangements schrieb. Die 15 bekanntesten Orchester stehen in dieser (alfabetisch sortierten) Tabelle, welche Namen, Lebensdaten und gespieltes Instrument der Orchesterleiter angibt:
Tango DJing 3.1: Klassifikation von Tango Musik
Ohne Tango Musik kann man nicht DJen und ohne richtig viel Tango Musik kann man eine Milonga nicht strukturieren. Also müssen Tango DJs Musik sammeln. Darüberhinaus braucht der Tango DJ eine gute Wissensbasis über Tango Musikgeschichte und insbesonders über die grossen Orchester der EDO.
Tango DJing 3.0: Musik für eine Milonga (Einführung)
Als DJ spielt man Musik, als Tango DJ spielt man Tango Musik. Man spielt Musik von verschiedenem Ursprung und unterschiedlicher Qualität und die Struktur einer Musikmischung wird unterschiedlich sein, je nach Veranstaltung. Die gute Nachricht hier ist, dass es keine Regeln gibt und wenn ja, fordern sie dazu heraus, gebrochen zu werden. Also, welche Musik spielen wir auf unseren Veranstaltungen ?